Forensische Entomologie ist die Anwendung von Insektenkunde zur Lösung von kriminalistischen Fällen, vor allem zur Bestimmung des Todeszeitpunktes.
Mittels gerichtsmedizinischer Methoden ist die Leichenliegezeit in den ersten 48h nach dem Eintritt des Todes gut einzugrenzen. Wenn jedoch der Tod länger zurück liegt und die Verwesung der Leiche beginnt, wird es immer schwieriger. Ab diesem Zeitpunkt macht man sich die forensische Entomologie zunutze.
Die Arbeit beginnt am Leichenfundort selbst, wo die vorherrschende Leichenfauna sowie die nähere Umgebung zu untersuchen ist, da Insektenlarven ab einem bestimmten Zeitpunkt von der Leiche abwandern können, um sich zu verpuppen. Es folgt die korrekte Asservierung der gefundenen Insektenlarven und Puppen, wobei zur Artenbestimmung einige Exemplare lebend zu fangen sind. Ein Temperaturlogger bzw. Klimalogger ist auszulegen, um die Umweltbedingungen aufzuzeichnen, welche kritisch für die Leichenliegezeitberechnung sind.
Im Labor werden die asservierten, lebenden Tiere bis zum adulten Stadium weitergezüchtet und die Art unter dem Mikroskop bestimmt.
Ist die Art ermittelt, werden Altersparameter mit eigener kontrollierter Forschung oder veröffentlichen Studien verglichen, um dann in Kombination mit den aufgezeichneten Klimabedingungen die Leichenliegezeit einzugrenzen.
Zusammengefasst, ist das Ziel der forensischen Entomologie, anhand von Insekten die Liegezeit der Verstorbenen einzugrenzen.
Aktuelle Forschung
Es ist unbestritten, dass derzeit ein Klimawandel stattfindet. Unsere Ökosysteme, die sich über die Zeit an stabile Umweltbedingungen und -faktoren angepasst haben, sehen sich nun einer, in Relation gesehen, plötzlichen Veränderung anthropogenen Ursprungs ausgesetzt. Die Tiere, Pflanzen und Pilze in diesen Systemen müssen diese Herausforderungen überwinden, um zu gedeihen und zu überleben. Während gleichwarme Tiere ihre eigenen Herausforderungen in Bezug auf den Klimawandel zu bewältigen haben, sollten die Auswirkungen auf wechselwarme Tiere, wie Insekten, nicht vernachlässigt werden, besonders wenn ihre Lebenszyklen im Fokus einer wissenschaftlichen Disziplin stehen.
Dies gilt insbesondere für die Arbeit von forensischen Entomologen, da ihre Arbeit zur Berechnung des minimalen PMI (Post mortem Intervall) auf sorgfältigen Beobachtungen und Messungen der Lebenszyklen von u.a. Schmeißfliegen basiert, die unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt werden. Wie oben bereits erwähnt, werden diese Labor-Daten dann zusammen mit korrigierten Temperaturen von Tatorten und Wetterstationen verwendet, um den Todeszeitpunkt zu schätzen.
2023 war die mittlere Jahrestemperatur um ca. 3°C höher als in den frühen 1980ern, als die ersten Studien zu heimischen Schmeißfliegen veröffentlich wurden. Dieser, im ersten Moment kleiner Unterschied, kann jedoch für Insekten maßgeblich entscheidend sein, ob sie überleben können oder nicht. Außerdem, ist davon auszugehen, dass Populationen der gleichen Tierart in nordischen bzw. südlichen Regionen anders angepasst sind, als Arten in Österreich. Daher ist es von enormer Wichtigkeit, aktuelle Daten mit heimischen Tierpopulationen zu generieren, um eine möglichst genaue Liegezeitschätzung durchführen zu können.