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Geschichte

Das Zentrum für Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Wien ist das älteste Gerichtsmedizinische Universitätsinstitut der Welt.


1044

Die Als bzw. der Alserbach, namensgebend für den 9. Wiener Gemeindebezirk Alsergrund, wird zum ersten Mal urkundlich erwähnt (keltisch: als = Bach, slawisch: olsa = Erle). Im 19. Jahrhundert versumpfte das Gebiet immer mehr und der Alserbach wurde zwischen 1840 und 1846 aus hygienischen Gründen eingewölbt.

An den Ufern des Alserbachs vor den Stadtmauern befand sich das Dorf Siechenals (Name als Anspielung auf den trägen, langsamen Lauf des Baches).

Durch die Kreuzzüge eingeschleppte Seuchen führten zu einer großen Menge an zu versorgenden Kranken, diese wurden in Siechenhäuser in den Vorstädten (z.B. St. Johann an der Siechenals) verlegt.


13. Jahrhundert

Gründung des Heiligengeistspitals zur Versorgung der Armen – hier findet die 1. Leichenöffnung in Wien statt (1404).


14. Jahrhundert

St. Lazar Spital wird im Dorf Siechenals zur Versorgung von Leprakranken gegründet.

1302

Die erste sicher dokumentierte, gerichtlich angeordnete Obduktion findet in Bologna statt.

1365

Gründung der Universität Wien (Alma Mater Rudolphina Vindobonensis).

Die medizinische Fakultät ist ein Gründungsmitglied der Alma Mater Rudolphina Vindobonensis.

1399

Ab Mai 1399 erste Aufzeichnungen über die Vorkommnisse an der medizinischen Fakultät, siehe Archiv der Universität, Acta Facultatis Medicae Universitatis Vindobonensis.


Der italienische Professor Galeazzo di Santa Sophia (gest. 1427) führte 1404 die erste Leichenöffnung zu Lehr- und Demonstrationszwecken im Heiligengeistspital durch (das im 13. Jahrhundert gegründete Spital wird während der ersten Türkenbelagerung zerstört und nicht wiedererrichtet (heute: Technische Universität Wien).

Die erste Leichenöffnung wurde in Anwesenheit von Doktoren der medizinischen Fakultät und „scolares“, verschiedenen Gelehrten, abgehalten. Die Anwesenden der Sektion mussten eine Teilnahmegebühr entrichten. Von dem eingenommenen Betrag wurde, nach Abzug aller Ausgaben, ein Siegel für die medizinische Fakultät erworben.

Auch in den darauffolgenden Jahren wurden in den Acta Facultatis Medicae Universitatis Vindobonensis nicht näher beschriebene Leichenöffnungen erwähnt, von hingerichteten Personen. Das Publikum bestand aus zahlenden Studierenden und Lehrenden verschiedener Fakultäten, Klerikern und nichtakademischen Heilkundigen.

„Die gesundheitsbringende medizinische Fakultät hält fest, dass, zur Ehre Gottes, zum Wohl des ganzen Menschengeschlechts, zur Ehre der Wiener höheren Schule und zum besonderen Nutzen für die Scholaren und Studenten der Medizin, auf häufige Bitten der Scholaren, eine höchst nützliche Zergliederung eines menschlichen Körpers, die wir Anatomie nennen, in den nächsten Tagen in Gegenwart aller Doktoren dieser Fakultät abgehalten wird. Daher, wer also dieser Veranstaltung beiwohnen, die inneren und äußeren Körperteile sehen, deren Namen hören und Erklärungen erhalten möchte, möge heute [zur angegebenen] Stunde im Haus der Doktoren der Medizin erscheinen, um die Ausführungen und Intentionen der medizinischen Fakultät [diesbezüglich] zu hören.“

Nachricht über eine geplante Leichenöffnung am Haus der medizinischen Fakultät sinngemäße Übersetzung von Sonia Horn

In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurden Leichenöffnungen vermutlich nur dann durchgeführt, wenn genügend Interessenten vorhanden waren bzw. wenn eine solche von Studenten gefordert wurde. Die Sektionen fanden in einem feierlichen Rahmen statt, wobei Wein und Konfekt (eine Mischung aus verschiedenen Substanzen, eingebettet in Honig, die Übelkeit vorbeugen sollten) gereicht wurden. Im Beisein aller Teilnehmer wurde anschließend eine Totenmesse gelesen und die Leiche beigesetzt.

Vermutlich handelte es sich bei dem in den Acta Facultatis Medicae Universitatis Vindobonensis erwähnten „Wiener Spital“ um das Heiligen Geist Spital, in dessen Badestube seziert wurde. Der Leichnam wurde anschließend am dazugehörenden St. Antonius Friedhof begraben. Nur in Ausnahmefällen fanden im Haus der medizinischen Fakultät Leichenöffnungen statt (Horn, 2004).

Im Mai 1452 wählte die Medizinische Fakultät aus mehreren zum Tode verurteilten Verbrecherinnen eine Frau aus, die nach ihrer Hinrichtung im Haus der Fakultät seziert werden sollte. Der Leichenöffnung durften nur Doktoren der Medizin beiwohnen. Studenten, die teilweise bereits die Teilnahmegebühr bezahlt hatten, wurden nach Auswahl der zum Tode verurteilten Frau ausgeschlossen, wobei ihnen das Geld rückerstattet wurde. Anschließend an die Leichenöffnung kam das Gerücht auf, dass die Frau schwanger gewesen sei. Eine Schwangerschaft wäre ein Grund gewesen, dass eine Hinrichtung nicht vollstreckt werden durfte. Dies wurde von der Fakultät zwar dementiert. Der Umstand, dass die Leichenöffnung unter diesen besonderen Vorkehrungsmaßnahmen stattfand, lässt jedoch Raum für Spekulationen.

Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts wurden ausschließlich die Leichen zum Tode verurteilter Verbrecher seziert.

Ab 1672 durften auch die Leichen von Verstorbenen aus den Wiener Spitälern für anatomische Demonstrationen herangezogen werden (Horn, 2002 und 2004).


16. Jahrhundert

1530

Lazarett in der Siechenals fungiert als Pestspital.

1532

Constitutio criminalis carolina, die peinliche (Latein: poena = Strafe) Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. tritt in Kraft. Diese schrieb die Zuziehung von Ärzten bei der Beurteilung medizinischer Fragen in der Rechtsprechung vor.

So eyner geschlagen wirdt vnd stirbt, vnd man zweiffelt ob er an der wunden gestorben sei

147. Item so eyner geschlagen wirt, vnnd über etlich zeit darnach stürb, also das zweiffelich wer, ob er der geklagten streych halb gestorben wer oder nit, in solchen fellen mögen beyde theyl (wie von weisung gesatzt ist,) kundtschafft zur sach dienstlich stellen, vnd sollen doch sonderlich die wundtärtzt der sach verstendig vnnd andere personen, die da wissen, wie sich der gestorben nach dem schlagen vnd rumor gehalten hab, zu zeugen gebraucht werden, mit anzeygung wie lang der gestorben nach den streychen gelebt hab, vnd inn solchen vrtheylen, die vrtheyler bei den rechtuerstendigen, vnd an enden vnd orten wie zu end diser vnser ordnung angezeygt, radts pflegen.

Von besichtigung eynes entleibten vor der begrebnuß

149. Vnnd damit dann inn obgemelten fellen gebürlich ermessung und erkantnuß solcher vnderschiedlichen verwundung halb, nach der begrebnuß des entleibten dester minder mangel sei, soll der Richter, sampt zweyen schöffen dem gerichtschreiber vnd eynem oder mer wundtärtzen (so man die gehaben vnd solchs geschehen kan) die dann zuuor darzu beeydigt werden sollen, den selben todten körper vor der begrebnuß mit fleiß besichtigen, vnd alle seine empfangene wunden, schleg, vnd würff, wie der jedes funden vnd ermessen würde, mit fleiß mercken vnd verzeychen lassen.


17. Jahrhundert

1621

Paolo Zacchia (1584–1659): Quaestiones medico-legales (1621–1650) – erstes systematisches Handbuch der Gerichtsmedizin.

1630

Vom Totenbeschreibeamt werden die Todesfälle der Stadt registriert. Im Wiener Stadt- und Landesarchiv werden noch heute die Totenbeschauprotokolle, beginnend mit dem Jahr 1648, aufbewahrt.

1656

Das Bäckerhäusel (nahe der heutigen Boltzmanngasse/Ecke Währingerstraße) wird zusätzlich zur Rekonvaleszenz der Kranken genutzt.

1657

Der Kontumazhof (ein Seuchenlazarett, zwischen der heutigen Währingerstraße und der Van-Swieten-Gasse) wird errichtet. Später wird dieser zum Militär-Garnisonspital der Stadt Wien.

1693

Johann Theobald Frankh widmet seinen Besitz in der Alsergasse im Schaffernack (heute Alserstraße 4 im 9. Wiener Gemeindebezirk) dem Bau eines Soldatenspitals.

1694

Auf den Frankh'schen Gründen wird das Großarmen- und Invalidenhaus errichtet – Fertigstellung 1697 (heute: 1. Hof des alten Allgemeinen Krankenhauses).

Johann Theobald Frankh, der Stifter des Spitals in der Alsergasse (heute Alserstraße), beabsichtigte, in dem Krankenhaus verletzte Soldaten versorgen zu lassen. Entgegen diesem eigentlich geplanten Verwendungszweck diente es jedoch mehr der Unterbringung und Pflege dienstunfähiger Soldaten und Armer.

1697 wurde der 1. Hof und 1726 der 2. Hof fertig gestellt, die den heutigen Höfen 1 und 2 des Alten Allgemeinen Krankenhauses entsprechen. Der 2. Hof, einst als Ehe- oder Witwenhof bezeichnet, heißt heute Thavonathof, nach seinem Stifter Freiherr von Thavonat. 1730 und 1752 kam es erneut zu einer Erweiterung des Spitals (Weiß, 1867  bzw. Swittalek, 2012).


18. Jahrhundert

1732

Gemeinde Wien erwirbt die Gründe neben dem Kontumazhof und nützt diese als Friedhof.

1756

Eröffnung eines Anatomischen Theaters im Haus der Universität (heute: Dr. Ignaz-Seipl Platz 2, 1010 Wien – Akademie der Wissenschaften).

Im „wohlauffgerichteten Amphitheatrum anatomicum“ wurde im Rahmen des medizinischen Unterrichts physiologische und pathologische Anatomie, aber auch Tieranatomie gelehrt. Es war Medizinern, Wundärzten (nicht-akademische Heilkundige), Studenten und Künstlern zugänglich. Mediziner und Wundärzte durften hier gegen einen kleinen Kostenbeitrag selbst sezieren. Bei der Errichtung des Anatomischen Theaters wurde bereits auf eine problemlose Leichenanlieferung, gute Lichtverhältnisse und ausreichende Hygiene geachtet. Die Leichen stammten meist aus Wiener Spitälern (Horn 2003).

1761

Giovanni Battista Morgagni veröffentlicht sein Hauptwerk „De sedibus et causis morborum per anatomen indagatis“ (Über den Sitz und die Ursachen der Krankheiten, aufgespürt durch die Anatomie) – dieser Satz wurde 1859 als Widmung am Giebel des Pathologischen Instituts angebracht.

1768

31.12.1768: Erzherzogin Maria Theresia erlässt die Constitutio Criminalis Theresiana, ein einheitliches Strafgesetzbuch für Österreich und Böhmen.

1770

30.03.1770: Die Leichenschau wird auf Anordnung Maria Theresias Pflicht und darf nur noch von Ärzten vorgenommen werden. Die Totenbeschauer müssen von der medizinischen Fakultät geprüft sein.

Das Hauptsanitätsnormativ, ein allgemein gültiges Gesundheitsgesetz für die Länder der Monarchie, wird eingeführt. Die Sanitäts- und Kontumazordnung vereinheitlicht das Gesundheitswesen. Die Gesundheit und das Wohlbefinden des Volkes werden zur Staatsangelegenheit.

1775

Gerichtsmedizinische Inhalte werden im Zuge der Chirurgie-Vorlesungen gelehrt, um Studenten und Ärzte mit der Totenbeschau vertraut zu machen.

1783

Errichtung des Garnisonsspitals auf den Gründen des einstigen Kontumazhof zur Versorgung verwundeter Soldaten.

1784

Joseph II. (1741–1790) eröffnet am 16.08.1784 das Wiener Allgemeine Krankenhaus zum Heil und zum Trost der Kranken („Saluti et solatio aegrorum“) auf der Grundlage des Großarmenhaus & Invalidenhaus (heutige Höfe 1–7 des Alten Allgemeinen Krankenhaus), eine Totenkammer wird am nordöstlichsten Ende der Anlage neben dem Strohlager errichtet (daher auch Strohhof oder Leichenhof genannt; entspricht dem heutigen Hof 10 des Alten Allgemeinen Krankenhauses).

Die behördlichen Leichenöffnungen wurden den beiden jüngsten Wundärzten des Spitals übertragen. Gemeinsam mit dem Stadtwundarzt bildeten sie eine Kommission, wobei der Stadtwundarzt die eigentliche Sektion durchführte.

Als Joseph II. (1741–1790) realisierte, dass das Großarmen- und Invalidenhaus als Wohnkomplex für Zivilarme und dienstunfähige Soldaten und nicht, wie vorgesehen, als Krankenhaus genutzt wurde, beschloss er, es aufzulassen. Stattdessen sollte ein modernes Krankenhaus nach dem Vorbild des Pariser Zentralspitals Hôtel-Dieu entstehen. Bei der Planung sollten Kosteneffizienz, Hygiene und die medizinischen Anforderungen nach dem neusten Stand der Wissenschaft im Vordergrund stehen. Finanziert wurde es zum Großteil aus dem Privatvermögen des Kaisers. Außerdem bestand Joseph II. darauf, dass jeder Patient sein eigenes Bett bekam und nicht, wie im Pariser Zentralspital, bis zu vier Kranke in einem Bett untergebracht werden mussten.

Joseph II. beauftragte 1783 seinen Leibarzt Joseph Quarin (1733–1814) mit der Umgestaltung und dem Ausbau des Großarmen- und Invalidenhaus. Nach nur 17 Monaten Bauzeit wurde ein einzigartiger Spitalskomplex geschaffen, der neben einem allgemeinen Krankenspital auch ein Gebärhaus und ein Irrenhaus umfasste. Angrenzend befanden sich außerdem ein Findelhaus sowie Siechenhäuser. In 111 Krankenzimmern konnten etwa 2000 Kranke untergebracht werden, wobei nach Männern und Frauen getrennt wurde.

Da man davon ausging, dass sich in der Raumluft krankheitsbringende Stoffe befanden, wurde besonders auf eine ausreichende Durchlüftung der Krankenzimmer durch gegenüberliegende Fenster geachtet. Es gab bereits 4 Kategorien von Krankenzimmern. Zimmer der 1. Klasse waren Einzelzimmer mit persönlicher Betreuung und mehrgängigem Menü, die Zimmer der 4. Klasse waren für arme Kranke vorgesehen und unentgeltlich.

Im Gebärhaus konnte jede Frau, egal ob adelig oder einem niederen Stand angehörig, anonym ihr Kind zur Welt bringen. Wollte die Frau das Kind nicht behalten, wurde es im angrenzenden Findelhaus untergebracht.

Im 1. Hof befand sich ein dreistöckiges Gebäude, der sogenannte Stöckl, in dem die „medizinisch-praktische Lehrschule“ untergebracht war. Sie ermöglichte den von Maria Theresias Leibarzt Gerard van Swieten (1700–1772) eingeführten Unterricht am Krankenbett.

1988 übergab die Stadt Wien den Gebäudekomplex der Universität Wien. Heute befindet sich dort der Universitätscampus Wien der 15 Fachbereiche der Historisch-Kulturwissenschaftlichen und der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät.

1785

Am 07.11.1785 wird die medizinische-chirurgische Akademie eröffnet (heute: Josephinum):

  • Vorlesungen der gerichtlichen Medizin werden vom Professor für Chirurgie und Geburtshilfe im Rahmen der Ausbildung von Medizinern an der oben genannten Josephinischen Akademie als Nebenfach abgehalten

1795

Johann Peter Frank (1745–1821), der seit 1785 in Pavia Vorlesungen über Gerichtliche Medizin und Medizinische Polizei hielt, wird als Professor an die Universität Wien und gleichzeitig als Direktor an das Wiener Allgemeine Krankenhaus berufen:


19. Jahrhundert

1804

21.07.1804: Von Kaiser Franz II (1768–1835) wird die erste eigenständige Universitätslehrkanzel für Staatsarzneikunde geschaffen.

1805

Erlassung der Preußischen Criminal Ordnung mit Regeln für die gerichtliche Leichenschau und die Durchführung von Sektionen: Explizite Vorgabe, dass sich eine Obduktion auf die drei Körperhöhlen (Brust-, Bauch-, Kopfhöhle) zu erstrecken hatte und dass bei Leichen von Neugeborenen eine Lungenprobe durchgeführt werden soll, um nachzuweisen, ob das Kind tot oder lebendig zur Welt gekommen ist (2. Teil, 2. Abschnitt § 164 bzw. § 166).

Vietz studierte Medizin und Jus, beschäftigte sich allerdings hauptsächlich mit der Tierarzneikunde. Mit 24.11.1805 wird er Ordinarius für gerichtliche Arzneikunde und Polizeiwissenschaften in Wien. Er erstellte ein Nachschlagewerk über seine Vorlesungen der gerichtlichen Arzneikunde, welches erst nach seinem Tod 1818 von Josef Bernt veröffentlicht wurde. Eine seiner Hauptaufgaben als Professor für Gerichtsarzneikunde war, Obduktionen im Beisein der Studenten durchzuführen. Die Studenten mussten über das Gesehene ein visum repertum abfassen und durften auch unter der Aufsicht des Professors selbst obduzieren. Dies war ein Teil der sich langsam etablierenden, praktisch orientierten Lehre der Wiener Medizinischen Schule.

Werke:

  • Instruktion für die öffentlich angestellten Ärzte und Wundärzte in den k.k. österreichischen Staaten, wie sie sich bey gerichtlichen Leichenschauen zu benehmen haben.

(Bauer, 2004)

1808

Verordnung wird erlassen, dass der Professor für Staatsarzneykunde die Oberleitung der gerichtlichen Obduktionen übernehmen soll, denen nun auch Studenten beiwohnen dürfen.

1812

Alle sanitätspolizeilichen und gerichtlichen Obduktionen aus der Stadt und den Vorstädten Wiens werden im Allgemeinen Krankenhaus Wien (AKH) durchgeführt.

Geboren am 14.09.1770 in Leitmeritz in Böhmen. Er promovierte 1797 an der Prager Universität. Bernt hatte zuerst die 1808 in Prag errichtete Lehrkanzel für gerichtliche Medizin inne und wurde mit 25.06.1813 Ordinarius in Wien. Er setzte sich für die Pockenschutzimpfung ein und beschäftigte sich mit Hygiene und der Bekämpfung von Epidemien.

Werke:

  • Systemisches Handbuch der gerichtlichen Medizin
  • Anleitung über die Rettung von Scheintoten
  • Arbeiten über die Schutzpockenimpfung, Pestansteckung, Veitstanz
  • Begründer der hydrostatischen Lungenprobe (Feststellung, ob ein neugeborenes Kind bereits geatmet hat – in abgeänderter Form heute noch gebräuchlich)
  • Über den Nachweis des Gelebthabens neugeborener Kinder während und nach der Geburt.
  • Notwendigkeit der Untersuchung des Zirkulationsystems bei der Untersuchung der Todesursache von Neugeborenen → Unterschied zwischen den fötalen Wegen vor der Geburt und dessen Veränderungen nach der Geburt
  • Gründer der Zeitschrift Beiträge zur Gerichtsarzneikunde für Ärzte, Wundärzte und Rechtsgelehrte → Vorläufer der bekannteren Beiträge der gerichtlichen Medizin
  • Förderung der Pathologie des plötzlichen Todes
  • Pathologie des Ertrinkungstodes
  • Tod durch Erhängen
  • Sammlung über visa reperta und gerichtsmedizinische Gutachten als Anleitung für Studenten

1815

Das Amt des offiziellen Totenbeschaumeister der Stadt Wien wird an die Lehrkanzel für Staatsarzneykunde gebunden.

1818

Zuständigkeit für alle sanitätspolizeilichen und gerichtlichen Leichenöffnungen wird dem pathologisch-anatomischen Prosektor übertragen, die gerichtliche Medizin ist Teilgebiet der pathologischen Anatomie bis 1875.

Die Sezierkammer wird ausgebaut und ein Anatomisches Theater entsteht.

1821

Schaffung einer außerordentlichen Professur für pathologische Anatomie, besetzt durch Lorenz Biermayer.

1833

Eröffnung der Züricher Universität – offizielle Vorlesungen in Gerichtlicher Medizin begannen.

„Gründung der praktischen Untersuchungsanstalt für Staatsarzneikunde“ in Berlin.

1803 in Deutsch Bielau in Böhmen geboren. Er studierte an der Universität Wien und war unter Rokitansky Assistent für pathologische Anatomie. Am 23.09.1843 wurde er zum ordentlichen Professor für Gerichtsarzneikunde bestellt. Kolletschka fügt sich bei einer Leichensektion eine Schnittwunde zu und starb in Folge dessen wenig später an einer Blutvergiftung.

Werke:

  • Über Pericarditis → Verdeutlichung des Zusammenhangs der Beobachtungen am Krankenbett und bei der späteren Öffnung des Leichnams

1844

Gründung der Pathologischen Anatomie als eigenes Lehrfach – Rokitansky wird erster Ordinarius und ordentlicher Professor für pathologische Anatomie in Wien.

1855

Verordnung der Ministerien des Innern und der Justiz: Vorschrift für die Vornahme der gerichtlichen Todtenbeschau.

Etablierung einer Lehrkanzel für Gerichtliche Medizin an der Universität Bern – Errichtung eines eigenen Instituts erst 1927.

1859

Das Pathologisch-Anatomische Institut (im Volksmund „Indagandis Hof“, nach der Widmung am Giebel „Indagandis sedibus et causis morborum“, im Deutschen „Der Erforschung des Sitzes und der Ursachen der Erkrankungen“, genannt) wird an der Stelle des alten Leichenhauses errichtet. Im Nordflügel des 1. Stockes befanden sich die Arbeitsräume mit einem chemischen Laboratorium und einem Museum, im Erdgeschoss der gerichtliche Sektionsraum, die gerichtliche Beisetzungskammer und ein Kommissionszimmer.

1808 in Pilsen geboren. Er wurde 1839 Assistent im anatomisch-pathologischen Museum in Wien und anschließend Prosektor und Professor der pathologischen Anatomie in Prag. 1848 wurde er wieder nach Wien zurückberufen, wo er die Lehrkanzel für gerichtliche Medizin übernahm, die er bis 1875 innehatte. Er erreichte, dass der Professor für gerichtliche Medizin ein eigenes Arbeitszimmer im Leichengebäude des Allgemeinen Krankenhauses erhielt.

Dlauhy übersiedelte gemeinsam mit Carl Freiherr von Rokitansky 1862 in das neu errichtete einstöckige Leichenhofgebäude (heute: Hirmforschungszentrum der Medizinischen Universität Wien).

1869

Einsegnungskapelle wird am Rand des heutigen Hof 10 des Alten AKHs errichtet.

Einrichtung einer Lehrkanzel für „Staatsarzneykunde“ nach Wiener Vorbild an der Universität Innsbruck – erster Inhaber dieser Lehrkanzel war der spätere Vorstand des Wiener Instituts Eduard von Hoffmann.

1875

Gründung der Lehrkanzel für Hygiene mit Eröffnung eines eigenen Instituts für Hygiene 1908 in der Kinderspitalgasse.

Geboren am 27.01.1837 in Prag. Er studierte an der Universität Prag und promovierte 1861 zum Doktor der Medizin. Noch im selben Jahr trat er seine Assistenzstelle am Prager Institut für gerichtliche Medizin an und wurde 1864 mit der Supplierung der Lehrkanzel nach dem Tod des damaligen Vorstandes Popel betraut. 1869 wurde die neue gegründete Lehrkanzel für Staatsarzneikunde in Innsbruck mit Hofmann besetzt.

1875 wurde er nach Wien berufen. Da Hofmann der deutschen, tschechischen, französischen und italienischen Sprache mächtig war, war ihm eine Fülle an gerichtsmedizinischer Literatur zugänglich. Wichtige Fälle wurden von ihm unter Heranziehung dieser Literatur genauestens studiert und publiziert und somit auch für andere Sachverständige zugänglich. Hofmann erkannte den Wert der großen Anzahl an Leichen aus sanitätspolizeilichen und gerichtlichen Obduktionen, welche dank ihm beide in den Aufgabenbereich des Instituts fielen, und vermochte dies für Wissenschaft und Lehre zu nutzen.

Das Gerichtsmedizinische Institut wurde erweitert, indem dem Pathologischen Institut 1883 ein 2. Stock aufgesetzt und ein Hörsaalanbau geschaffen wurde. Die Arbeitsräume wurden in den Südflügel des 1. Stockes, das Museum in den 2. Stock verlegt. In der südlichen Hälfte waren der Hörsaal, der Sektionsraum für Gerichtsmediziner und das Laboratorium untergebracht.

In Hofmanns Amtszeit fiel der Tod des Kronprinzen Rudolf am 30. Jänner 1889. Hofmann war an der Obduktion des Thronfolgers beteiligt und wies eine Selbsttötung nach. Außerdem ergaben sich bei der Leichenöffnung Befunde, die laut Hofmann darauf schließen ließen, dass Rudolf im Zustand höchster Geistesverwirrung gehandelt hatte. Dadurch ermöglichte er eine kirchliche Beisetzung des Leichnams.

Hofmanns Untersuchung der Opfer des Ringtheaterbrands am 8. Dezember 1881, dem über 380 Menschen zum Opfer fielen, brachte wichtige Erkenntnisse für die gerichtliche Medizin. Hofmann wies erstmals Kohlenoxyd im Blut verkohlter Leichen nach und zeigte auf, dass Rauchgasvergiftungen zum Tod führen können. Er erbrachte hiermit den Nachweis, dass das Einatmen von Rauchgasen ein sicherer Beweis dafür ist, dass jemand lebendig verbrannt ist und dass das Fehlen von Kohlenoxydgas im Blut einen Hinweis für postmortales Verbrennen darstellt.

Aufgrund der tragischen Ereignisse am 8. Dezember 1881 wurde die Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft gegründet. Bei der Untersuchung der Leichen wurden bereits moderne Methoden der Agnoszierung, wie beispielsweise die Ermittlung des Zahnstatus, verwendet.

Hofmann war zeitlebens bestrebt, der Gerichtsmedizin eine wissenschaftliche Grundlage zu geben und nutzte die Mikroskopie für sein Fach.

Gewürdigt wurden seine Verdienste für die Wissenschaft und Gesundheitsfürsorge durch die Verleihung des Ordens der eisernen Krone 1884, wodurch er in den Ritterstand erhoben wurde. Hofmann wurde 1897 in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Werke:

  • Die Respiration während der Geburt mit besonderer Rücksicht auf das Einatmen von Fruchtwasser als Hilfsmittel zur Erkenntnis des auf natürlichem Wege eingetretenen Todes der Neugeborenen (Habilitationsarbeit).
  • Lehrbuch der gerichtlichen Medizin
  • Atlas der gerichtlichen Medizin
  • Über den plötzlichen Tod aus natürlicher Ursache.
  • Entwicklung einer Sektionstechnik für Kindesleichen
  • Untersuchungen und Arbeiten unter anderem zu den Themen: Erstickungen, Kindesmord, Leichenerscheinungen, Tubarschwangerschaften, Nachweis der Virginität und Defloration
  • Förderung der Anwendung der Toxikologie in der Gerichtsmedizin
  • Einbeziehung der medizinischen Chemie in die Gerichtsmedizin

Am 06.11.1857 in Wien geboren, promovierte er am 07.12.1881 an der Wiener Universität. Schon während seines Studiums war er als Demonstrator am pathologischen Institut tätig.

Er lehrte seine Studenten, alle noch so unwichtig erscheinende Nebenbefunde ausführlich zu dokumentieren. Er schenkte dem pathologischen Nachweis der Gifte, der Pathologie des plötzlichen Todes und der Elektropathologie große Bedeutung. Die kriminalistische Seite des Faches, die Tätigkeit bei Gericht und die Vorlesung für Juristen überließ er seinem ersten Assistenten Albin Haberda. 1916 wechselte er auf die Lehrkanzel für pathologische Anatomie.

Werke:

  • Die Blutversorgung des Globus pallidus
  • Die pathologischen Beckenformen
  • Über den plötzlichen Tod aus natürlicher Ursache
  • Herausgeber der 9. Auflage von Hofmanns Lehrbuch

20. Jahrhundert

Albin Haberda wurde am 29.01.1868 in Bochnia, Galizien geboren. Er promovierte 1891 an der Universität Wien. Ab 1889 war er Demonstrator am Institut für gerichtliche Medizin, 1892 wurde er stellvertretender Gerichtsanatom. Haberda wurde 1897 nach Hofmanns Tod mit der Supplierung der Lehrkanzel für Gerichtsmedizin beauftragt, bis Alexander Kolisko diese 1898 übernahm. Nach der tatsächlichen Übernahme der Lehrkanzel durch Haberda 1916 kam es zu einer baulichen und personellen Erweiterung des Instituts.

Werke:

  • Die gerichtsärztliche Bedeutung von Rachenverletzungen an Leichen Neugeborener.
  • Die fötalen Kreislaufwege des Neugeborenen und ihre Veränderungen nach der Geburt.
  • Über das postmortale Entstehen von Ekchymosen.
  • Wiederaufnahme der Beiträge der gerichtlichen Medizin.

1922

Das ehemalige militärische Prosekturgebäude des Garnisonspitals in der Sensengasse 2 (dieses wurde mit dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie nach dem 1. Weltkrieg in seiner Funktion als Heeresspital aufgelöst) wird zum Institut für Gerichtliche Medizin, dem heutigen Zentrum für Gerichtsmedizin (ZGM), umgewandelt.

Anton Werkgartner wurde am 5. Juni 1890 in Mauthausen geboren. Nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde er zunächst kommissarisch Leiter des Instituts für Gerichtliche Medizin an der Universität Wien.

Fritz Reuter wurde am 30. Mai 1875 in Wien geboren und aus politischen Gründen seines Amtes enthoben.

  • Einrichtung eines gerichtsmedizinischen Chemielabors

Die Wiener Gerichtsmedizin im Nationalsozialismus

Als Folge des „Anschlusses“ Österreichs und der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 kam es zur Nazifizierung des Wiener Instituts für Gerichtliche Medizin, nicht nur durch die enge Zusammenarbeit des Faches mit dem jeweils herrschenden Rechtssystem.

Durch die Einbindung in die nationalsozialistische Biopolitik spielte die Gerichtsmedizin eine wichtige Rolle, unter anderem bei der selektiven Geburtenpolitik der Nazis. Die Aufgabe der Gerichtsmediziner, „verbrecherische Aborte“ aufzudecken, sollte dazu beitragen, „wertvolles Volkesgut“ zu erhalten. Außerdem verfassten sie entscheidende Gutachten für Kastrationsprozesse „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ sowie Vaterschaftsgutachten, „um jüdische Väter auszuschließen“.

Ab 1940 bestand eine Kooperation des Instituts mit der Luftwaffe, welche unter anderem zur Betreuung etlicher Dissertationen reichsdeutscher Studenten führte.

Aufgrund der guten Verbindungen zu Heinrich Himmler, SS-Reichsführer und Chef der Deutschen Polizei, und Arthur Nebe, Chef des Reichskriminalpolizeiamtes, wurde 1943 das Kriminalmedizinische Zentralinstitut in Wien gegründet. Es sollte der Verbrechensbekämpfung im Sinne einer rassenbiologisch begründeten Kriminalistik dienen. Der angebliche Massenmörder Bruno Lüdke wurde am Kriminalmedizinischen Zentralinstitut erbbiologisch-anthropologischen Untersuchungen und anschließend einem tödlichen Experiment unterzogen, welches die extremste Form des rassenhygienischen Denkens des Nationalsozialismus widerspiegelte.

Eine ausführliche Darstellung der Rolle der „Wiener Gerichtsmedizin im Nationalsozialismus“ liefert das gleichnamige Buch von DDr.in Mag.in Ingrid Arias, erschienen im Verlagshaus der Ärzte.

Walter Schwarzacher wurde am 3. April 1892 in Salzburg geboren.
Er befasste sich vorwiegend mit chemisch-physikalischen Aspekten von Blutflecken (Blutspurenanalyse).

Leopold Breitenecker wurde am 14. April 1902 in Wien geboren.

  • Generalsanierung des alten Gebäudetraktes – an den Seitentrakten wurde ein weiteres Stockwerk aufgesetzt und durch einen Zubau entlang der Sensengasse wurde ein neues Laboratoriumsgebäude geschaffen
  • Nachweis von Kohlenoxyd im Blut
  • Errichtung der Abteilung für Serologie und der Abteilung für Anthropologie
  • Endgültige Heimstätte der Gerichtsmedizinischen Präparatesammlung im denkmalgeschützten Zentraltrakt des Hauptgebäudes

Wilhelm Holczabek wurde am 8. Mai 1918 in Wien geboren. Er

  • erstellte die bis heute im Straf- und Zivilrecht gültige Definition der Schmerzgraduierung und
  • verbesserte den Kohlenmonoxidnachweis (etwa nach Vergiftungen) in Blut- und Gewebsproben von Leichen erheblich.

Werke:

  • Gerichtliche Medizin – Mutterdisziplin der begutachtenden Medizin, 1992
  • Grundlagen und Praxis der Begutachtung von Verletzungen im Strafverfahren, 1987
  •  Einrichtung eines gerichtsmedizinischen DNA-Labors

21. Jahrhundert

2001

Manfred Hochmeister wird zum Professor für Gerichtliche Medizin berufen.

2002

Die Ausgliederung der Medizinischen Fakultät aus der Universität Wien wird im Universitätsgesetz beschlossen.

  • Akkreditierung des DNA-Labors

Die Autonomie der Medizinischen Universität Wien (vormals Medizinische Fakultät) tritt in Kraft.

Vorstand des Institutes für Medizinische Chemie

interimistische Departmentsleitung 01.12.2008 – 31.03.2010

2010

Daniele U. Risser wird zum Professor für Gerichtliche Medizin berufen und übernimmt die Leitung des Zentrums für Gerichtsmedizin ZGM (vormals Department für Gerichtsmedizin DGM).

  • Renovierung von Räumlichkeiten am ZGM für das DNA-Zentrallabor auf dem neuesten Stand der Technik
  • Auslagerung der Abteilung für Forensische Toxikologie und Eingliederung als Fachbereich für Forensische Toxikologie in das Klinische Institut für Labormedizin, Klinische Abteilung für Medizinisch-Chemische Labordiagnostik am AKH Wien
  • Ausgliederung der Abteilung für Forensische Molekularbiologie als eigenständige GmbH (Forensisches DNA-Zentrallabor GmbH der Medizinischen Universität Wien)
  • Generalsanierung mit Neugestaltung des Obduktionstraktes und Aufnahme des regulären Obduktionsbetriebes in der Sensengasse 2 nach einer mehrjährigen Auslagerung in Spitäler des Wiener Krankenanstaltenverbundes
  • Einrichtung der Fachbereiche Forensische Anthropologie und Forensische Gerontologie
  • Generalsanierung mit Neugestaltung des Labortraktes und Administrativbereiches

seit 18.12.2021 geschäftsführende Leitung

  • ISO Zertifizierung
  • neues Laborinformations-Managementsystem (LIMS) mit Beginn 18.07.2023
  • Forensische Entomologie

seit 01.01.2024 Leiter